Kein Sozialdemokrat wollte etwas sagen zur privaten Reise von SP-Bundesrat Alain Berset in einer Cessna. Weil er Anfang Juli in ein Sperrgebiet flog und es offenbar Probleme mit der Kommunikation gab, wurde Berset von französischen Kampfjets zu Boden geleitet.
Die Ausnahme war der Zürcher SP-Ständerat Daniel Jositsch. Im «Sonntalk» von Tele Züri kritisierte er Berset: Es gebe nichts zu verteidigen.
Jositsch erklärte einerseits, dass er die defensive Kommunikation des Sozialministers nicht gut finde – «er hätte das sofort zugeben sollen.» Gemeint war der verunglückte Flug.
Vor allem aber äusserte der Ständerat ökologische Bedenken: «In einer Zeit, in der wir eine Energiekrise haben und wir die Klimaziele erreichen wollen, finde ich es nicht verständlich, dass man mit einem Privatflieger unterwegs ist.»
Die SP setzt sich ein für eine Senkung des CO2-Ausstosses. Der Sozialdemokrat Berset solle gefälligst seinen Teil beitragen im Kampf gegen die Klimaerwärmung – das war der Kern von Jositschs Gardinenpredigt an seinen Parteikollegen.
Jositsch ist Professor für Strafrecht an der Universität Zürich. Anfang Oktober veranstaltet er ein einwöchiges Seminar. Es findet nicht in Zürich statt, sondern in Kolumbien. Das Interesse an der Einführung ins kolumbianische Strafrecht ist gross: Sie war für 15 Studentinnen und Studenten ausgeschrieben. Wegen des Andrangs stimmte das Dekanat der rechtswissenschaftlichen Fakultät einer Verdoppelung der Teilnehmerzahl zu. Nun erkunden 30 Studenten das südamerikanische Land.
Sie fliegen am kommenden 1. Oktober zusammen mit Jositsch nach Bogotá und vier Tage später weiter nach Cartagena an die Karibikküste. Sie werden den Schweizer Botschafter treffen und Referate über kolumbianisches Strafprozessrecht, über Korruption und Drogenhandel hören. Auf dem Programm steht auch der Besuch eines Gefängnisses.
Jositsch kennt Kolumbien gut. Er lebte fünf Jahre im Land, war dort als Rechtsanwalt tätig und als Geschäftsführer der Schweizer Handelskammer. Neben dem Schweizer Pass hat Jositsch auch den kolumbianischen.
Nun verantwortet Jositschs 31-köpfige Reisegruppe, die 9000 Kilometer über den Atlantik und zurück fliegt, einen sehr grossen Ausstoss an CO2. Es dürften um die 200 Tonnen sein. Bundesrat Berset kann im einmotorigen Leichtflugzeug jahrelang die Lüfte unsicher machen, bis er auf eine ähnliche Kontamination kommt. Vorausgesetzt, er löst nicht ständig Einsätze von Kampfjets aus. Sie erhöhen die Schadstoffemissionen ganz erheblich.
Dem eigenen Bundesrat fehlende ökologische Sensibilität vorhalten und selber Flugreisen für grosse Gruppen nach Übersee organisieren – was meint Ständerat Jositsch zu diesem Widerspruch? «Ich mache aus beruflichen Gründen ein Seminar», hält er knapp fest. Die Klimaziele zu erreichen, wird schwierig. Im Airbus mehr noch als in der Cessna. (aargauerzeitung.ch)
wenn schon mit dem finger auf klimasünder zeigen, dann auf jene, welche aus purem egoismus ein übermotorisiertes auto fahren, oder, bloss weil sie es sich leisten können, mit dem privatjet umherfliegen. oder im allgemeinen die konsumwut der industrieländer thematisieren, welche für den grossteil der emissionen verantwortlich ist.